Kompakt, kontinuierlich, kostengünstig: Fraunhofer ICT- IMM integriert die NMR-Spektroskopie in die kontinuierliche Produktion von fluorhaltigen Feinchemikalien

Pressemitteilung /

NMR-Durchflusszelle
© Fraunhofer ICT-IMM
NMR-Durchflusszelle

Die Medizin ist heute weiter entwickelt denn je und die Pharmakonzerne arbeiten stetig an neuen Innovationen. Die Zusammensetzung der Medikamente, ihre Reinheit und natürlich ihre gleichbleibende Qualität sind dabei von allerhöchster Bedeutung. Hier hilft die NMR-Spektroskopie, eine der wichtigsten analytischen Methoden der organischen Chemie und eine Standardmethode zur Strukturaufklärung von chemischen Verbindungen.

Trotz moderner Technik gilt die NMR-Spektroskopie als eine aufwändige Methode, sie ist betreuungsintensiv und damit kostenintensiv. Außerdem sind die typischerweise verwendeten Hochfrequenz-Geräte groß, teuer und unflexibel. Sie bieten zwar in der Messung eine hohe Auflösung, die insbesondere bei der Protonenspektroskopie von immenser Bedeutung ist, die Handhabung der Proben ist jedoch mit Aufwand verbunden.

Eine gar kontinuierliche Überwachung einer Synthese während des industriellen Produktionsprozesses, zum Beispiel eines Medikaments, ist momentan schwer realisierbar. So könnte allerdings die Qualität eines Wirkstoffs kontinuierlich überprüft werden und bei Abweichungen schon im Herstellungsprozess eingegriffen werden.

Einen ersten Schritt in Richtung eines solchen Verfahrens sind das Fraunhofer ICT-IMM und seine Partner schon gegangen. Gemeinsam entwickelten sie im internationalen Projekt ContiNMR ein System für die kontinuierliche Synthese von fluorhaltigen Feinchemikalien mit integrierter on-line NMR-Analytik, das grundsätzlich ebenso für phosphorhaltige Verbindungen zum Einsatz kommen kann. Fluor- und phosphorhaltige Feinchemikalien sind essentielle Bausteine für pharmazeutische und agrochemische Erzeugnisse und stellen einen wichtigen Markt in der produzierenden chemischen Industrie dar. Bisher ist es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gelungen, eine vollständige Laboranlage mit Mikroreaktoren zu konstruieren, deren Design die Durchführung von vier unterschiedlichen Routen zur Synthese von fluorhaltigen Chemikalien erlaubt. Ein integriertes Kartuschensystem ermöglicht das Austauschen und Erneuern der Reagenzien. Als analytische Plattform wird das kompakte Benchtop- NMR-Spektrometer NMReadyTM 60 des kanadischen Unternehmens Nanalysis Corp. eingesetzt. Die nötigen Durchflusszellen wurden mit einem Kontrollsystem basierend auf magnetischen Ventilen ausgestattet. Diese erlauben die kontinuierliche Befüllung
der Durchflusszelle mit Reaktionslösung (Conti-Messung) oder das Vorbeileiten der Lösung am Spektrometer, um eine längere und damit genauere Messung zu erzielen (stopped-flow-Messung). Die Wissenschaftler können Informationen wie Umsetzungsgrad und damit einhergehend die Qualität der Lösung sowie Struktur mittels Kopplungsmustern aus der Messung ableiten.

Was mit ausführlichen Tests am ICT-IMM begonnen wurde, wird jetzt beim Partner Hansa Fine Chemicals GmbH weitergeführt. Die Anlage wird in einer weiteren Phase mit vorpräparierten Lösungen betrieben, um die Qualität der Spektren von einfachen und komplexen Substanzen zu untersuchen. Folgeversuche sollen dann die alltägliche Nutzung der Anlage zur Synthese fluorhaltiger Substanzen mit integrierter Analytik abbilden.

Insbesondere der stopped-flow Ansatz kann es mittelfristig durch den Zusatz entsprechender Agenzien ermöglichen, auch Fragestellungen der Enantiomerenreinheit direkt im Produktionsprozess NMR-spektroskopisch zu klären. Allseits bekannt wurde dieses Problem in den frühen 60er Jahren im Contergan-Skandal.