Dissertation Lars Gössl
Kontinuierliche skalierbare Syntheseentwicklung zinkorganischer Halogenide und deren Folgeumsetzung zur Darstellung von Pharma und Feinchemikalien
Wir gratulieren Lars Gössl herzlich zur erfolgreichen Verteidigung seiner Dissertation im Bereich der Reaktiven Intermediate. Gössls Arbeit beschäftigt sich mit der mengenoptimierten und auf Nachfrage ausgelegten Herstellung von diversen zinkorganischen Halogeniden wie auch deren Umsetzung zu synthetisch relevanten Verbindungen.
Lars Gössl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Gruppe Flow Chemistry des Geschäftsbereichs Chemie am Fraunhofer IMM. Die Verteidigung seiner Dissertation zum Thema „Kontinuierliche skalierbare Syntheseentwicklung zinkorganischer Halogenide und deren Folgeumsetzung zur Darstellung von Pharma- und Feinchemikalien“ fand am 11. Juli 2025 an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz statt.
Abstract

In der gesamten synthetischen Chemie ist der Aufbau von Molekülen durch die Knüpfung neuer Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungen wiederzufinden. Bei der Herstellung von Feinchemikalien, wozu auch pharmazeutisch aktive Inhaltsstoffe (APIs) zählen, Duftstoffen und Agrochemikalien ist diese übergeordnete Reaktion essenziell. Dafür werden häufig reaktive Intermediate eingesetzt, wozu auch die Klasse der metallorganischen Reagenzien gezählt wird. Neben den weit verbreiteten magnesiumorganischen Verbindungen, besser als Grignard-Reagenzien (RMgX) bekannt, und den lithiumorganischen Verbindungen (RLi), besitzen auch die deutlich weniger reaktiven zinkorganischen Halogenide (RZnX) Potential in der synthetischen Chemie. Sie zählen zu den ältesten metallorganischen Reagenzien, allerdings wurden sie nach der Entdeckung der Grignard-Reagenzien und der Lithiumorganyle von diesen verdrängt, und ihre Verwendung in der synthetischen Chemie wurde lange Zeit vernachlässigt. Die geringe Reaktivität in Kopplungsreaktionen im Zusammenspiel mit einer sehr hohen Empfindlichkeit gegenüber Sauerstoff und Feuchtigkeit führen zu einer schwierigen Handhabung und problematischen Lagerung zinkorganischer Verbindungen. Ihre Verwendung in C-C-Bindungsknüpfungsreaktionen wurde daher lange Zeit unterschätzt, dennoch bieten sie ein hohes Potenzial für den Einsatz in Kopplungsreaktionen, die eine hohe Chemoselektivität erfordern.
Um den limitierten Einsatz in synthetischen Anwendungen zu überwinden und zinkorganische Reagenzien in breiter Masse für die Synthesechemie zugänglich zu machen, wurde eine kontinuierliche Synthese verschiedener zinkorganischer Halogenide in einem Laborreaktor, der ursprünglich für die Bildung von Grignard-Reagenzien entwickelt und konstruiert wurde, untersucht. Dabei wurden Flussraten, Lösungsmittel, der Metallaktivierungsmechanismus und die Ausgangskonzentration der Startmaterialien variiert. Zu diesem Zweck wurde ein Bett aus Zink-Granulat verwendet, das einen etwa 250-fachen molaren Zn-Überschuss, bezogen auf das organische Halogenid, lieferte. Die Forschungsarbeit zeigt die erfolgreiche kontinuierliche Synthese diverser zinkorganischer Halogenide mithilfe des entwickelten Reaktionssystems, das eine Zufuhr frischen Zinks während laufender Synthese erlaubt und somit eine theoretisch unbegrenzte Synthesezeit ermöglicht. Die sehr guten Wärmeaustauscheigenschaften des Laborreaktors erlaubten ein sicheres Betreiben der Synthese durch eine effiziente Abfuhr der durch die Bildungsreaktion freigesetzten Wärme.
Es wurde festgestellt, dass die vollständige Umsetzung der eingesetzten organischen Halogenide in einem einzigen Durchgang (Verweilzeit 1,3-26 min) durch den Reaktor mit Zinkorganyl-Ausbeuten von knapp 78-100 Prozent erreicht werden konnte, während die ungewünschte Wurtz-Kupplungsreaktion auf ein Minimum reduziert wurde. Die Synthese einiger ausgewählter Zinkorganyle wurde darüber hinaus in den Pilotmaßstab übertragen, in dem ein maximaler Flüssigkeitsdurchsatz von 18 l/h erreicht werden konnte. Mit Verweilzeiten von 1,513,6 min konnte in allen Synthesen ein vollständiger Umsatz des organischen Halogenids bei gleichzeitig hohen Zinkorganyl-Ausbeuten von 88-98 Prozent erreicht werden. Dies führte zu hocheffizienten Synthesen, die wiederum eine hohe Produktivität der reaktiven Intermediate erlaubten. Darüber hinaus wurde erstmals die Machbarkeit der kontinuierlichen Umsetzung von hochkonzentrierten 2,0 M-Ausgangsstoffen anhand der Synthese verschiedener zinkorganischer Halogenide bewiesen. Verglichen mit den kommerziell erhältlichen Konzentrationen (i.d.R. 0,5 M) stellt dies eine Konzentrationserhöhung um den Faktor vier dar, die erstmalig beschrieben wurde. Es wurde eine ausreichende Prozesssicherheit gewährleistet sowie gute bis sehr gute Ausbeuten von 84-100 Prozent bei moderaten Verweilzeiten von 2,6-8,7 min nachgewiesen.
Es wurde bewiesen, dass keine Löslichkeitsüberschreitung für die Limitierung der kommerziell verfügbaren RZnX-Lösungen auf 0,5 M verantwortlich ist. Die schnelle und sichere Prozessoptimierung einer skalierbaren sowie kontinuierlichen Bildung von zinkorganischen Halogeniden konnte damit erfolgreich bewiesen werden. Neben der Herstellung zinkorganischer Halogenide wurde deren Umsetzung in einer ebenfalls kontinuierlichen Folgereaktion aufgezeigt. Die kontinuierliche Umsetzung wurde anhand von zwei Modellreaktionen untersucht, die die nicht katalysierte Saytzeff und die Palladium-katalysierte Negishi-Kreuzkupplungsreaktion beinhalteten. Im Falle der Saytzeff-Reaktion wurde als reaktives Intermediat Allylzinkbromid gewählt, das mit verschiedenen elektrophilen Substraten in Form von Aldehyden und Ketonen zu sekundären bzw. tertiären Homoallylalkoholen umgesetzt wurde. Die Umsetzung wurde als zweistufiger und als One-Pot Ansatz untersucht. Niedrige Verweilzeiten von 2,0 min führten zu einem vollständigen Umsatz des jeweiligen elektrophilen Substrates, gleichzeitig konnten isolierte Ausbeuten der entsprechenden Homoallylalkohole von 66-97 Prozent erzielt werden, was zu einer effizienten und zugleich hoch produktiven Synthese führte.
Im Falle der Negishi Kreuzkupplung, die als zweistufige Synthese durchgeführt wurde, wurde ein mit Pd-Katalysator gefüllter Festbettreaktor verwendet, in dem die Reaktion von Benzylzinkbromid mit verschiedenen funktionalisierten organischen Halogeniden durchgeführt wurde. Mit Verweilzeiten von weniger als einer Minute (23-32 s) konnte eine hocheffiziente Kreuzkupplungsreaktion durchgeführt werden, die sich in Zielprodukt-Ausbeuten von 84-92 Prozent äußerte. Sowohl die Saytzeffals auch die Negishi-Reaktion wurden um die Umsetzung von hochkonzentrierten zinkorganischen Verbindungen (ca. 2,0 M) erweitert, die über die kommerziell erhältliche Konzentration weit hinausgehen. Trotz der hohen Konzentration der Ausgangsverbindungen wurde in beiden Reaktionen keine signifikant höhere Nebenproduktbildung nachgewiesen, was sich in hohen isolierten Ausbeuten widerspiegelt (Saytzeff: 83 Prozent und 92 Prozent, Negishi: 72 Prozent und 79 Prozent). Die One-Pot Saytzeff-Reaktion wurde zusätzlich in den Pilotmaßstab übertragen, um die einfache Skalierbarkeit der Umsetzungsreaktion aufzuzeigen. Anhand von zwei ausgewählten Verbindungen konnte ein erfolgreicher Scale-up, der einen Flüssigkeitsdurchsatz von 13 l/h (Verweilzeit= 2,0 min) lieferte, gezeigt werden. Die hergestellten Homoallylalkohole konnten mit Ausbeuten von 87 Prozent und 98 Prozent isoliert werden.
Die Forschungsarbeit zeigt die mengenoptimierte und auf Nachfrage ausgelegte Herstellung von diversen zinkorganischen Halogeniden wie auch deren Umsetzung zu synthetisch relevanten Verbindungen. Die kontinuierliche Prozessierung der Zinkorganyl-Synthese sowie die Umsetzung der reaktiven Intermediate in einer Folgereaktion konnten mithilfe der speziell dafür entwickelten Reaktoren in hochproduktive Synthesen übertragen werden. Die effiziente, bequeme und sichere Herstellung zinkorganischer Halogenide wurde mehrfach aufgezeigt, was den Einsatz zinkorganischer Reagenzien in der Prozesschemie stärken sollte. Gegenüber Grignard-Reagenzien und lithiumorganischen Verbindungen besitzen die zinkorganischen Halogenide zwar eine weitaus geringere Reaktivität, doch gerade diese Eigenschaft verleiht ihnen auch Vorteile, was ein hohes Potential für die synthetische Chemie darstellt.
- Publikationsliste von Lars Gössl (publica-rest.fraunhofer.de)